
Hubert Stuppner, Die Neue Südtiroler Tageszeitung Online
14 Mar 2025
Mit meisterhaft gelenkten Bögen, mal sanft wie mit seidenen Fäden, mal Heftig wie mit schneidenden Klingen, dringen sie ins Fleisch der Musik ein.
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"Dass die vier wunderbaren und vielfach prämierten Solisten des jungen „Fibonacci-Quartetts“ beim Wiener-Primus des „Alban Berg-Quartetts“, Günter Pichler, studierten, beweist, wie wirksam der Staffettenlauf der Besten von einer Quartett-Generation zur nächsten war und am Ende Perfektion generierte. Man nehme noch den Enthusiasmus der Jugend dazu, dann versteht man, warum mit den neuen Quartetten, von denen man einige heuer auch in Meran und Brixen hören bekommt, die klassischen Werke wahrscheinlich in die endgültige Fassung und Form gebracht werden.
Mit diesem Quartett machte sich auch ein Trend bemerkbar, der alles Unaussprechliche verständlich, alles Abstrakte konkret und das für musikalisch Blinde durch eine heftig gestikulierende Zeichensprache hörbar und sichtbar macht. Ein Spiel, das in den Partituren das Dunkle vom Hellem trennt, das Licht vom Schatten und das Sanfte heftig zum Brachialen steigert. Ein Stil, der virtuos mit den Kontrasten spielt und den Zuhörer wie in einem Panoptikum tanzender Figuren unterhält. Einen Versuch der Popularisierung des ehemals dezenten Quartettspiels hat bereits das amerikanische Kronos-Quartett mit der elektronischen Verstärkung unternommen.
Die „Fibonaccis“ gehen noch raffinierter vor. Sie drehen im Saal das Licht ab und lassen sich durch zwei grelle Scheinwerfer in einen Lichtkegel stellen, in dem sie wie in alten Schwarz-Weiß-Stummfilmen kinowirksam agieren, dabei aus den Noten die dort schlummernden Geister entbinden, Geistesblitze entfachen, musikalisch Grimassen schneiden und mit den meisterhaft gelenkten Bögen, mal sanft wie mit seidenen Fäden, mal heftig wie mit schneidenden Klingen ins Fleisch der Musik eindringen. Man hat hier selten einen kontrastreicheren und witzigeren Haydn gehört. Erschütternd und ans Herz gehend auch Smetanas Quartett „Aus meinem Leben“ (Mahler ante litteram: „Was mir der Tod erzählt“): das autobiographische, zwischen Lebenslust und Verzweiflung hin und her gerissene Bekenntnis eines Fünfzigjährigen, der von den Spätfolgen der Syphilis eingeholt, bei der ewig treu bleibenden Frau Musika Erholung sucht und trotz Tinitus, der in den Ohren surrt, seinen letzten Himmel voller Geigen erlebt. Und dann als Höhepunkt eines auf das musikalisch so ergiebige Habsburger-Reich zugeschnittenen Programms zwischen Wien und seiner Peripherie, Beethovens spätes a-moll- Quartett, nach dessen Anhören Schubert resigniert gesagt haben soll: „Was bleibt uns danach noch zu schreiben?“